Die Oberharzer Wasserwirtschaft
Wandern zwischen Ägypten und Madeira – und das im Harz? Das geht tatsächlich – naja, fast. Das Oberharzer Wasserregal gehört seit 2020 zum Weltkulturerbe und steht somit in einer Reihe mit Sensationen wie den Pyramiden und der Chinesischen Mauer. Und das Wandern an den künstlich angelegten Gräben erinnert an Levadas auf Madeira.
An einem goldenen Oktobersonntag fuhren wir mit Fahrgemeinschaften nach Clausthal-Zellerfeld um bei einer entspannten Tour schöne Ausblicke zu genießen und nebenbei etwas über das komplexe Teich-Graben-Wasserlauf-System zu erfahren.
Bereits seit dem 16. Jahrhundert wurde Wasserkraft genutzt, um die Wasserräder in den Bergwerken anzutreiben. Dazu wurde Wasser in etlichen Teichen gespeichert und über hunderte Kilometer in Gräben transportiert. Hochentwickelte Ingenieurskunst gibt es nicht erst in der Neuzeit. Dadurch konnten viele Jahrhunderte Erze in den Harzer Bergwerken effektiv abgebaut werden.
So idyllisch die vielen Wasserstellen im Sonnenlicht glitzern, gibt es aber auch Schattenseiten. Um ständig ausreichend Holz für den Bergbau zu produzieren wurden schnell wachsende Fichten angebaut. Das rächt sich seit der Borkenkäfer im trockeneren Klima ideale Lebensbedingungen gefunden hat. Sein enormer Hunger hinterlässt mehr und mehr kahle Hügel.
Unser Weg führt uns zunächst zum Entensumpf, dem ersten Stausee der Innerste, deren Quelle direkt dahinter liegt. Nach einem kleinen Abstecher zum „Innerstesprung“ geht es weiter Richtung Huttaler Widerwaage, einem Ausgleichsbecken von dem Gräben ohne Gefälle abgehen, so dass das Wasser je nach Bedarf in beide Richtungen fließen konnte. Weitere Schautafeln erklären wo im Mittelalter Edelmetalle aus Erz geschmolzen wurde und erläutern Einzelheiten zum Weltkulturerbe. Kurz nach Queren der Bundesstraße haben wir unser Zwischenziel, das Polsterberger Hubhaus erreicht. Wir lassen uns Leckereien vom Roten Harzer Höhenvieh und Harzer Wildschwein schmecken und machen uns gestärkt auf die zweite Hälfte des Rundwegs. Wir passieren die Reste einer Munitionsfabrik, eine Anlage aus dunkelsten Zeiten, deren Umgebung noch heute schwer belastet ist. Weiter bestaunen wir die „Kaskade“, ein System aus vier untereinanderliegenden Teichen. Nach rund 10 Kilometern erreichen wir unseren Ausgangspunkt und machen uns auf die Heimfahrt.